Gefahrstoffintelligenz – Grundlage für Wissen, Kontrolle und Sicherheit im Umgang mit Gefahrstoffen

Was ist Gefahrstoffintelligenz?

Gefahrstoffe begleiten Unternehmen über ihren gesamten Lebenszyklus: von der Rohstoffgewinnung und Herstellung über Transport und Lagerung bis zur Verwendung im Prozess – und schließlich zur Entsorgung oder zum Übergang in Produkte, die das Unternehmen verlassen. In all diesen Phasen entstehen Berührungspunkte mit Menschen, Umwelt und anderen Stoffen. Wer Risiken wirklich beherrschen will, braucht darum mehr als einzelne Werkzeuge oder punktuelle Prüfungen. Es braucht ein durchgängiges, datenbasiertes Verständnis.

So beschreibt unser Mitgründer Dr. Sinan Sen das Leitbild von Gefahrstoffintelligenz im Jahr 2025.

Gefahrstoffintelligenz ist ein ganzheitlicher Ansatz, der Daten zu Stoffen und ihren Bewegungen zusammenführt, Risiken kontinuierlich bewertet und Verantwortlichen klare, handlungsorientierte Informationen bereitstellt – damit Sicherheit, Compliance und Transparenz jederzeit gewährleistet sind.

Der Ausdruck ist (noch) kein etablierter Fachterminus im Arbeitsschutz- oder Umweltrecht; er positioniert eine erweiterte, proaktive Sicht auf das Thema. Im englischen Sprachraum existiert „Chemical Intelligence“ vor allem als Marken- und Marktanalyse-Begriff in der Petrochemie, nicht als etablierte Bezeichnung für umfassendes Gefahrstoffmanagement – unser inhaltlicher Zuschnitt ist also neu.

Bedeutung: Was umfasst Gefahrstoffintelligenz – und worin unterscheidet sie sich vom klassischen Gefahrstoffmanagement?

Kernidee: Alle relevanten Informationen über Gefahrstoffe werden entlang der Liefer- und Prozesskette erfasst, geprüft, verknüpft, bewertet und für Entscheidungen aufbereitet. Das schließt u. a. ein:

  • Datenebene: Stoffidentitäten, Sicherheitsdatenblätter, Mengen, Gebinde, Lagerbedingungen, Bewegungen, Einsatzorte, Mischungen/Kompatibilität, Expositionsszenarien.
  • Kontextebene: Mensch (Arbeitsschutz), Umwelt (Emissionen, Entsorgung), Anlagenzustände, regulatorische Pflichten (z. B. REACH/CLP-Klassifizierung, Meldepflichten).
  • Prozess-/Lieferkettenebene: Wareneingang, interne Verwendung/Umwidmung, Weitergabe in Produkte, Versand an Kunden, Rückverfolgung.

Abgrenzung zum klassischen Gefahrstoffmanagement:

  • Von reaktiv zu proaktiv: Nicht nur Dokumente ablegen und auf Anfrage prüfen, sondern laufend überwachen, Abweichungen früh erkennen und gezielt eingreifen (Alarme, Maßnahmen).
  • Von Silos zu Vernetzung: Daten aus Einkauf, Produktion, Instandhaltung, EHS, Logistik und Vertrieb werden zusammengeführt – inklusive Lieferketten-Bezügen (z. B. Melde-/Nachweispflichten).
  • Von „Nachweisen“ zu „Steuern“: Compliance bleibt zentral, aber im Vordergrund steht die operative Steuerung von Risiken und die Transparenz über den gesamten Lebenszyklus.
  • Von statischen Dokumenten zu lebenden Datensätzen: Sicherheitsdokumente, Klassifizierungen und Bestände werden dynamisch mit aktuellen Bewegungen und Zuständen verknüpft.

Anbindung an regulatorische Rahmen und Transparenz-Instrumente
Gefahrstoffintelligenz zahlt direkt auf bestehende Pflichten und Trends ein:

  • REACH/CLP regeln Registrierung, Bewertung, Zulassung/Beschränkung sowie Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung – die korrekte Zuordnung, Kennzeichnung und Kommunikation ist Kernbestandteil jeder hochwertigen Datenbasis.
  • SCIP-Datenbank (ECHA) schafft Transparenz zu besonders besorgniserregenden Stoffen (SVHC) in Erzeugnissen – ein gutes Beispiel, wie lebenszyklusrelevante Informationen entlang der Kette verfügbar gemacht werden.
  • Digitaler Produktpass (DPP) im Rahmen der ESPR (Ecodesign for Sustainable Products Regulation) wird schrittweise Produktinformationen digital verfügbar machen. Für Chemie-intensive Lieferketten ist das ein Treiber, Daten strukturiert und maschinenlesbar vorzuhalten. (Der DPP ist ein „digitaler Produkt-Ausweis“, die konkrete Ausgestaltung erfolgt produktspezifisch über Durchführungsakte.)
  • Sorgfaltspflichten in Lieferketten (LkSG, CSDDD) erhöhen Erwartungen an Transparenz und Risikomanagement – auch mit Blick auf umweltbezogene Aspekte. Hier hilft eine integrierte Sicht auf Stoffe und deren Bewegungen.

Praktischer Merksatz: Gefahrstoffintelligenz ist kein „Tool“, sondern eine Betriebsfähigkeit – Daten, Regeln und Prozesse arbeiten zusammen, damit Verantwortliche jederzeit wissen, wo welche Stoffe in welchen Mengen unter welchen Bedingungen sind und was als Nächstes zu tun ist.

Rolle von SdbHub: Der Übergang vom Gefahrstoffmanagement zur Gefahrstoffintelligenz

SdbHub ist kein Selbstzweck, sondern ein zentraler Baustein auf dem Weg von klassischem Gefahrstoffmanagement hin zu echter Gefahrstoffintelligenz. Die Plattform gestaltet diesen Wandel aktiv mit und wird auch künftig im Mittelpunkt dieser Entwicklung stehen.

Was mit der präzisen Datenextraktion aus Sicherheitsdatenblättern begann, wurde in den letzten Jahren systematisch erweitert. So entsteht Schritt für Schritt die Basis für eine integrierte Gefahrstoffintelligenz, die Daten aus unterschiedlichen Quellen zusammenführt, bewertet und in steuerbare Informationen verwandelt.

Die aktuellen Kernmodule bilden das Fundament:

  • CORE – Zentrale Datenhaltung und Qualitätssicherung rund um Gefahrstoffe. Die Informationen stammen zunächst aus Sicherheitsdatenblättern und werden dort konsolidiert und geprüft.
  • FLOW – Überwachung der Aktualität sicherheitsrelevanter Dokumente. Das Modul stellt sicher, dass Unternehmen immer mit den gültigen Fassungen ihrer Sicherheitsdatenblätter arbeiten.
  • TRACE – Versionierung und Archivierung von Gefahrstoffdokumenten. Damit bleibt jede Änderung nachvollziehbar – von der ursprünglichen Fassung bis zur aktuellen Version.
  • NEXUS – Intelligente Verknüpfung von Informationen, insbesondere zur Zusammenlagerung und Kompatibilität von Gefahrstoffen.

Darüber hinaus entstanden zahlreiche Zusatzfunktionen, die es ermöglichen, Gefahrstoffdaten besser zu verstehen, zu vergleichen und zu überwachen. Das Ziel ist stets dasselbe: Transparenz, Steuerung und Verlässlichkeit.
Datenqualität wird aktiv gesichert, Abweichungen und Risiken werden frühzeitig angezeigt, und Reports entstehen automatisch aus dem laufenden Betrieb – nicht erst im Audit.

Weiterentwicklung: Der Ausbau von SdbHub geht weiter

Gefahrstoffintelligenz ist kein statischer Zustand, sondern ein fortlaufender Entwicklungsprozess. Entsprechend wird auch die SdbHub-Plattform konsequent erweitert. Geplante bzw. bereits konzipierte Module vertiefen diesen Ansatz:

  • WATCH – Kontinuierliche Überwachung von Gefahrstoffen und ihren Zuständen.
  • FIELD – Erfassung und Einordnung von Gefahrstoffen direkt im Feld, z. B. über mobile Geräte.
  • CONNECT – Abbildung von Wechselwirkungen und Interaktionen zwischen Gefahrstoffen sowie Integration externer Systeme.
  • CARGO – Verwaltung und Nachverfolgung von Gefahrguttransporten.

Leitlinie dieser Weiterentwicklung bleibt: Probleme erkennen, bevor sie jemand spürt.
Durch kontinuierliches Monitoring, klare Verantwortungsübergaben und belastbare Nachweise wird ein System geschaffen, das Compliance nicht nur erfüllt, sondern aktiv gestaltet – „Compliance-ready by design“.

Gefahrstoffintelligenz als Wegbereiter

Die Zukunft des Gefahrstoffmanagements liegt nicht in immer neuen Tabellen, sondern in vernetzten Daten, lernenden Systemen und klaren Entscheidungen.


Gefahrstoffintelligenz beschreibt unsere Sicht auf den Wandel vom reaktiven Gefahrstoffmanagement hin zur aktiven Steuerung – dorthin, wo Daten zu Erkenntnissen werden und Systeme mitdenken.

Mit SdbHub wird dieser Wandel greifbar: eine Plattform, die sich kontinuierlich erweitert, Datenströme verknüpft und Risiken erkennt, bevor sie entstehen.
So entsteht ein stabiles Fundament für Sicherheit, Transparenz und Nachhaltigkeit – innerhalb des Unternehmens und entlang der gesamten Lieferkette.

Gefahrstoffintelligenz ist damit mehr als eine technologische Weiterentwicklung. Sie steht für eine neue Art, Verantwortung zu übernehmen – datenbasiert, nachvollziehbar und zukunftsorientiert.
Wer diesen Weg geht, gestaltet nicht nur die Sicherheit seiner Prozesse, sondern auch die Zukunft des verantwortungsvollen Umgangs mit Chemie.